Bereits 1888 gingen die Partner getrennte Wege, und Fritz Voss übernahm die Ehrenfelder Fabrik. Er erweiterte seine Produktion um Dampfmaschinen und Verbrennungskraftmaschinen. Als nach der Jahrhundertwende die vordringende Elektrifizierung deren Absatz beeinträchtigte, erweiterte er erneut sein Produktionsprogramm, diesmal um Sauggasanlagen, Pumpen und Kompressoren, bis hin zu Aufzügen, Kränen und Elektromotoren. Insbesondere im Bau von vielgestaltigen, (meist mehrmotorigen) Kränen jeglicher Art war die Firma zu Beginn der 1930er Jahre marktführend.
Die auffälligste Veränderung beim Vergleich der baulichen Struktur der Bauzeit mit den erhaltenen Strukturen ist die - wohl durch Kriegszerstörungen erfolgte - enorme Verkleinerung des Fabrikhallenkomplexes. Nicht einmal die Hälfte der ursprünglichen Längenausdehnung ist heute noch vorhanden.
Die Maschinenfabrik Voss war dem gravierenden Strukturwandel der 1970/80er Jahre unterworfen. Da das Unternehmen nie in Serie fertigte, konnten keine hohen Stückzahlen erreicht werden, und so ging es 1990 in der Stalvoss GmbH in Köln-Kalk auf. Kurz darauf wurden die von da an ungenutzten Fabrikbauten von der Firma „Balloni“ (Firma für Dekorationen und Veranstaltungen) übernommen. Die beiden Gründer Sibylle Hartung und Wilhelm Blume begannen 1977 mit Perlen und Konfetti befüllte Luftballons auf Trödelmärkten zur Finanzierung ihres Studiums zu verkaufen. Schon bald darauf eröffneten sie eigene Ausstellungs- und Verkaufsräume in einem Hinterhof einer Ehrenfelder Seitenstraße. Neben der Gestaltung etablierte sich Balloni in zunehmendem Maße auch in der Organisation von firmeninternen Veranstaltungen sowie Messeauftritten und entwickelte sich langsam zu einem der erfolgreichsten Unternehmen im Bereich des Eventmanagements. Mit der starken Ausweitung ihres Dienstleistungsangebots erwiesen sich bald nicht nur die Räumlichkeiten der Firma als zu klein. Die Betriebsstätte der “Kranfabrik Voss” schien dafür die idealen Voraussetzungen zu bieten.
Vor dem Einzug der Firma Balloni in die alten Kranbahnhallen 1996 standen weitreichende Umbaumaßnahmen nach Plänen des Architekturbüros „Seiler-Rüdiger Architekten“ aus Braunschweig an. Im ersten Bauabschnitt begann man mit der Umgestaltung der größten der drei Hallen sowie der Nebengebäude in ein weitläufiges Ladenlokal nebst Büros. Nach geschäftlich erfolgreichem Start wagte man sich zwei Jahre später auch an den Umbau der zwei übrigen Hallen in ein multifunktionales Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum sowie den Neubau eines Eingangs- und Küchentraktes.
Im Einzelnen gliedert sich der Balloni-Komplex heute in folgende Einheiten:
Die zur linken Seite gelegene Halle bietet auf einer Grundfläche von 500m² Raum für Veranstaltungen verschiedenster Art. Um die industrielle Atmosphäre dieser Halle zu bewahren und einen möglichst flexiblen, neutralen Raum anbieten zu können, wurde der Innenraum hier noch zurückhaltender gestaltet.
Indem die Architekten das Dach oberhalb der alten Schalung aufdoppelten und mit neuer Aluminiumhaut überzogen, gelang es, auch trotz erhöhter Anforderungen an den Schall- und Wärmeschutz, die Integrität des Innenraumes zu bewahren. Somit zeugt das Gebäudeäußere allerdings auch unübersehbar von der neuen inneren Funktion: Krakengleich überziehen gigantische Lüftungskanäle das schallschutzoptimierte Dach ...”(Selbstdarstellung Fa. Balloni).
Prägend für das Erscheinungsbild dieser „Gründerzeit-Industrie-Architektur“ sind die rohen, kargen Backsteinmauern. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde dieses Backsteinmauerwerk gereinigt, bzw. unter Verwendung von Abbruchziegeln im ursprünglichen Mauerwerksverband ergänzt. Unvermeidbar waren dabei entstehende, leichte Farbvariationen. Die Ziegel lassen sich sowohl anhand der Oberflächenstruktur als auch der Farbigkeit als Feldbrandziegel/Handstrichziegel identifizieren. Die prägnante Fassade am Ehrenfeldgürtel spiegelt die Proportion des dahinter liegenden Baukörpers beeindruckend wider. Sie weist eine dezente aber prägnante Ornamentik auf. Die beiden großen Bogenfenster wurden zur klimatischen Verbesserung des Innenraums als Kastenfenster ausgeführt, wodurch die Anschaulichkeit der Fassade von außen bewahrt wird. Gelbliche, bzw. helle Feldbrandziegel setzen sich von dunkleren roten sowohl farblich als auch plastisch ab. Diese schlichte gemauerte Ornamentik ist typisch für die Industriebauten dieser Zeit und Region.
Der gläserne Anbau auf der linken Seite der großen Fassade umhüllt das Fluchttreppenhaus und will sich genau wie der große gläserne Anbau zur Rechten in seiner Materialität und Formensprache klar vom historischen Bestand absetzen. Letzteren dominieren große Sonnenschutzlamellen. Die schmalen Lichtschlitze unterhalb der beiden Bogenfenster sind ebenfalls ihrer Materialität und Form nach als eindeutig nachträglich eingefügte Bestandteile erkennbar. Zieht man historisches Bildmaterial hinzu, fällt auf, dass sie ein nunmehr verschwundenes Eingangsportal nachzeichnen.
Die vom neuen Glaskubus verdeckte, zurückspringende “zweite” Fassade wurde insofern erhalten, als dass sie nun den Innenraum des gläsernen Anbaus “schmückt”. Im Inneren der Hallen dominieren heute noch die imposante Dachkonstruktion sowie die noch erhaltenen Laufkräne das Erscheinungsbild. Sie zeugen von Alter und Funktion der Hallen. Bei den Dachkonstruktionen handelt es sich um dreiecksförmige Stahl-Binder in Form eines Satteldaches. Sie erreichen in der Verkaufshalle eine Spannweite von etwa 12m.
In der Veranstaltungshalle reduzieren Mittelstützen die Spannweite auf 6m und gliedern sowohl die Dachkonstruktion als auch den lang gestreckten Innenraum. “Die Bauherren und Architekten zielten weniger auf eine optische Veredelung oder die Schaffung eines starken Kontrastes zwischen Alt und Neu ab. Vielmehr sollten neue Gebäudeelemente der ursprünglichen Rauheit der Industriearchitektur folgen und den nicht denkmalgeschützten Bestand mit einfachen und modernen Mitteln fortschreiben. Wieder verwendete Bauteile, wie Stahlunterzüge, Ziegelsteine, Kranbahnen oder Lampen, erzeugen dabei den erwünschten “archaischen” Rahmen. Im Zusammenspiel mit den ebenfalls robusten, neuen Elementen aus Sichtbeton oder Glas, entstanden für wechselnde Dekorationen nutzbare, “omnipotente Hüllen” mit individueller und zeitgenössischer Gestalt. Dabei sehen die Bauherren im Entwurf einen Aufbruch, der das Bestehende nicht als Pflegefall behandelt, sondern respektiert und zu nutzen weiß ...” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).
Direkt neben dem Ehrenfelder Bahnhof gelegen, ist das Gebäudeensemble eines der frühindustriellen Wahrzeichen dieses ehemaligen Arbeiterviertels. “Mit der Umwidmung der drei Produktionshallen nebst Verwaltungsgebäude in die “Balloni-Hallen” strebten die Bauherren eine Ausweitung der Einkaufsmeile Venloer Straße an.
Zugleich sollte das Unternehmen durch seine Verflechtung mit der existierenden Infrastruktur zu einem integralen Bestandteil des Quartiers werden und nebenbei für eine Aufwertung des Stadtteils sorgen.
Im Zuge des Umbaus ist es weitestgehend gelungen, die Anschaulichkeit der alten Hallen sowohl im Inneren, wie auch von außen zu bewahren und zudem mit einer neuen Nutzung zu beleben.
Kleinteilige Büroräume im Inneren des Balloni-Shops beispielsweise integrieren sich derart in die historische Raumdisposition, dass die Anschaulichkeit des großzügigen Innenraumes kaum gestört wird. Dachdämmung und Anlagen zur Klimatechnik beeinträchtigen zwar das äußere Erscheinungsbild erheblich, werden aber von der nun fast unverfälschten Innenraumansicht legitimiert.
Des Weiteren ist von der ehemaligen Straßenfassade am Ehrenfeldgürtel auf Grund des gläsernen Anbaus nur ein kleiner Teil im Straßenbild wirksam geblieben. Das Schließen der Raumkante an dieser Stelle verbaut den Blick auf den Rest der alten Fassade.
Zugute halten kann man den Umbaumaßnahmen aber wiederum, dass gerade im Detail behutsam mit dem Bestand umgegangen wurde. So wurden die Backsteinwände nicht zu aggressiv gereinigt und ein gewisses Maß an Patina blieb erhalten. Im städtischen Kontext könnte man die Umnutzung der Fritz-Voss-Hallen außerdem auf einen weiteren Aspekt ausweiten: Neben dem Effekt, durch den Erhalt der Hallen ein Stück weit Geschichte konserviert zu haben, zeigt eben diese Umnutzung sinnbildlich den fortlaufenden Strukturwandel des Stadtteils. So wie der wirtschaftliche Strukturwandel Fritz Voss immer wieder zwang, seine Produktionspalette anzupassen, so befindet sich Balloni mit seinem rasanten, der Nachfrage angepassten Unternehmenswachstum vom Luftballon-Verkäufer zum “Groß-Event-Manager” im fortlaufenden Strukturwandel.
(Gekürzte und bearbeitete Fassung einer Semesterarbeit im Lehrgebiet Denkmalpflege RWTH Aachen vom SS 2005.)